Learning and Development

Methodisch unterschiedlich gestaltete Umsetzungsformen

Sie können POL in Bezug auf sechs Kategorien unterschiedlich gestalten (s. Abbildung 2): Ziele, Problemaufgaben, Methode, Prozessbegleitung, Hilfsmittel und Verortung im Curriculum.

Abbildung 2: Steuerungselemente für POL

Müller (2008, S. 30) betont, wie wichtig eine auf die konkrete Situation angepasste Gestaltung ist:

Inwieweit PBL [...] eine lernförderliche Motivationswirkung aufweist, hängt massgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Lernumgebung ab, insbesondere von der Passung zwischen dem studentischen Vorwissen und der Problemstellung, von der dem Expertisegrad der Lernenden angepassten Sequenzierung und Strukturierung der Lerninhalte sowie von einer auf die jeweilige Lernumgebung abgestimmte und die individuellen Lernanstrengungen honorierende Assessmentgestaltung.

Euler und Hahn (2007, S. 115ff.) gehen sogar so weit, grundlegende Postulate konstruktivistischer Didaktik wie «Authentizität der Problemstellung» oder «kollaboratives Lernen der Lernenden» für die Gestaltung von POL fallen zu lassen, sofern sie die Lernenden beim Lernen überfordern würden:

Problemstellungen können in unterschiedliche Lernumgebungen eingebettet werden. Dabei ist hervorzuheben, dass die problemorientierte Didaktik nicht zwingend mit Formen eines hochgradig selbstgesteuerten, entdeckenden Lernens verbunden ist. Wesentlich ist die Grundlegung einer subjektiv als Herausforderung wahrgenommenen Problemstellung, die Raum zum Nachdenken und Entwickeln von Lösungen bietet. Der Lernprozess kann dabei durch unterschiedliche Grade an Lehrunterstützung gefördert werden. [...] Die Arbeit an den Problemstellungen kann im Kontext unterschiedlicher Aktions- und Sozialformen erfolgen. Der im Rahmen konstruktivistischer Ansätze häufig vorfindliche Hinweis, das Problemlösen in kooperative Lerngemeinschaften einzubetten, erscheint zwar angesichts der Berücksichtigung sozial-kommunikativer Handlungskompetenzen als durchaus plausibel und begründet, ist jedoch ebenfalls nicht zwingend. Gleiches gilt für die Strukturierung der Gruppenprozesse, in denen die Lernprozesse erfolgen sollten.

Häufig wird POL allerdings in Gruppen von Lernenden umgesetzt, da Lernende auch Sozialkompetenzen erwerben sollen oder weil Studienergebnisse darauf hinweisen, dass Kleingruppen Probleme besser bearbeiten als Einzelpersonen (Laughlin et al. 2006).

Die vorgesehene Gruppengrösse variiert. Bei einer Untersuchung zur POL-Praxis in Deutschland kam man auf eine Gruppengrösse von durchschnittlich 4,9 Personen (Huwendiek et al. 2012), manche Hochschulen haben Gruppengrössen von maximal 8 Lernenden (Grunze et al. 2004), andere arbeiten mit Gruppen von 10-12 Personen (Anders et al. 2010). Die minimale Grösse einer «Kleingruppe» beträgt drei Personen (Definition aus Dorsch: Lexikon der Psychologie). Bei einer so kleinen Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit von «Trittbrettfahrern/innen», d.h. passiven Lernenden, die nur von der Arbeit der Aktiven profitieren, gering, die Herausforderung zum Aufbau von Sozialkompetenzen aber geringer als bei grösseren Gruppen.

Unterschiedliche Auffassungen zu Gestaltung und Zielsetzung von POL

POL verbreitete sich in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in medizinischen Fakultäten diverser Universitäten weltweit. Anlass für die Entwicklung von Konzepten Problemorientierten Lernens war die Wahrnehmung, dass Lernende der „klassischen“, eher auf Rezeption orientierten Ausbildungen nicht über ausreichende Problemlösekompetenzen für den späteren Berufsalltag verfügten: sie konnten weder angemessen eigenständig Probleme lösen noch ihr erworbenes Wissen angemessen auf ähnliche, aber nicht gleiche Problembereiche transferieren. In den Worten von Müller (2008, S. 20):

Problemorientiertes Lernen wurde aus der Praxis der medizinischen Fakultäten entwickelt (McMaster Universität, Kanada ab 1969; Universität Maastricht, Niederlanden ab 1975 und Universität Newcastle, Australien ab 1978), hat aber enge lerntheoretische Bezüge zum Konstruktivismus und zur situierten Kognition und kann darum auch als situierte, gemässigt-konstruktivistische Lernumgebung bezeichnet werden.

Mit dem „Vormarsch“ konstruktivistischen Gedankenguts in der Didaktik und Erkenntnissen u.a. aus der Hirnforschung, die zu Konzepten des situierten Lernens geführt haben, hat POL als Lernform inzwischen in diversen Disziplinen Einzug genommen. Heute wird es in verschiedenen Formen praktiziert, von „Kleinformen“ wie problemorientierten Unterrichtselementen bis hin zu vollständig problemorientiert aufgebauten Curricula (z.B. die Universität Maastricht). Einen ausführlicheren Überblick über die Geschichte des Problemorientierten Lernens finden Sie in Weber 2007, S. 15f., einen Überblick über Anwendungsgebiete und –disziplinen in Zumbach et al. 2007.

In der theoretischen Auseinandersetzung mit POL lassen sich gleich zweimal zwei „Zweige“ unterscheiden:

  1. in Bezug auf den Grad der Formalisierung des Ablaufs von POL:
    a) Es gibt diejenigen, die im Konzept „Problemorientiertes Lernen“ eher eine unterschiedlich gestaltbare Herangehensweise an einen Lerngegenstand sehen (z.B. Reusser 2005),
    b) und diejenigen, die im Konzept „Problemorientiertes Lernen“ insbesondere einen bestimmten formalisierten Ablauf von begleiteter Gruppenarbeit von Lernenden sehen (z.B. Weber 2007).
  2. in Bezug auf die mit POL zu erreichenden Learning Outcomes:
    a) Es gibt diejenigen, die POL als sinnvolle Lernform zum Erreichen unterschiedlichster Learning Outcomes auf eine problemlösende Art und Weise ansehen (s. das Konzept der Universität Maastricht oder Weber 2007) 
    b) und diejenigen, die POL als Lernform insbesondere oder gar speziell für den Erwerb von Problemlösekompetenz ansehen (s. z.B. Reusser 2005).