Learning and Development

Möglichkeiten der Prozessbegleitung

Wie aus den weiteren Ausführungen auf dieser Webseite deutlich werden soll, ist POL eine Lern- und keine Lehrmethode: Die Studierenden sollen möglichst eigenständig arbeiten sollen. Als erstes stellt sich zum Thema „Begleitung von POL durch Dozierende als Tutoren/innen“ also die berechtigte Frage, ob eine derartige Begleitung überhaupt erforderlich ist.

In zwei Fällen ist eine tutoriale Begleitung nicht nötig:

Unter idealen Bedingungen, d.h. wenn die Aufgabenstellung genau auf die Vorkenntnisse, Interessen und Kompetenzen der Studierenden zugeschnitten ist, die Arbeit mit POL wie die Vorgehensweise dabei von den Studierenden als sinnhaft sowie erforderlich wahrgenommen wird und die Studierenden durch flankierende Lehr-/Lernszenarien und andere Hilfestellungen angemessen unterstützt sind um erfolgreich arbeiten zu können, ist eine tutoriale Begleitung nicht erforderlich. Sie kann unter diesen Bedingungen ggf. sogar hinderlich sein, da Menschen unter Kontrolle mehr Fehler machen als ohne: „Wer anderen ständig über die Schulter schaut, macht mehr kaputt als er hilft“ (Beck 2017, S. 81).

Ein anderer Grund dafür, Studierende ohne tutoriale Begleitung arbeiten zu lassen, kann sein, dass der eigenständige Umgang mit Scheitern bei Problembearbeitungen bzw. -lösungen explizites Learning Outcome der Arbeit mit POL ist. Bei einer derartigen Zielsetzung ist es aber wichtig, dass die Studierenden ihren Problembearbeitungs- bzw. -lösungsprozess präzise dokumentieren und hierbei auch ihr Scheitern sowie den Umgang damit festhalten. Unter diesen Umständen können sie ihr Vorgehen im Anschluss an das POL mit einem Dozenten/einer Dozentin besprechen und Verbesserungsvorschläge für folgende Problembearbeitungen bzw. -lösungen erarbeiten.

Eine Tutorin/ein Tutor ist also immer dann erforderlich, wenn:

  • die Ausgangsbedingungen für POL nicht ideal sind, d.h. die oben beschriebenen Idealbedingungen nicht gegeben. In diesem Fall muss ein Tutor/eine Tutorin ggf. weiterhelfen, wenn die Studierenden zu scheitern drohen, weil sie die Relevanz der Aufgabenstellung nicht erkennen, das Problem nicht definieren können, die Vorgehensweise nicht angemessen beherrschen oder nicht sinnhaft finden etc.
  • nicht genügend Zeit zur Verfügung steht, damit die Studierenden auch Fehler im Prozess machen und ggf. zur Analyse der Aufgabenstellung zurückgehen und den ganzen Prozess noch einmal durchlaufen können.
  • eine Prozessbeobachtung durch eine Fachperson und ein anschliessendes Feedback zum Arbeitsprozess gewünscht ist.

Wenn ein Tutor/eine Tutorin anwesend sein soll, sind seine Aufgaben idealiter rein unterstützende:

  • Die Tutorin/der Tutor sollte im Vorfeld möglichst sicherstellen, dass die Lernenden die Aufgabenstellung bearbeiten können. Aufgabenstellungen können auf Studiengangsebene ausgewählt werden, um eine Äquivalenz der Lernprozesse in verschiedenen Gruppen und eine eventuelle inhaltliche Anpassung anderer Lehrveranstaltungen (Vorlesungen etc.) zu ermöglichen. Eine derartige Vorauswahl auf Studiengangsebene ist sehr sinnvoll, kann dann jedoch gar nicht systematisch (sondern wenn dann nur zufällig) zum Vorwissen und den Kompetenzen jeder konkreten Gruppe passen. Aufgabe des Tutors/der Tutorin ist daher sicherzustellen, dass die Lernenden das Problem verstehen und über die erforderlichen Vorinformationen sowie Kompetenzen verfügen, um eine eigenständige Lösung des Problems zu erarbeiten. Ist dies nicht gegeben, ist es seine bzw. ihre Aufgabe, Hinweise zu geben, wie die Lernenden sich diese Informationen oder Kompetenzen beschaffen können bzw. ihnen bei Zeitnot oder ähnlichen „Engpässen“ explizit Hilfestellung zu geben.
  • Der Tutor/die Tutorin hat während des POL-Prozesses die Funktion, präzise zu beobachten, was die Teilnehmenden tun. Dies hat zum einen zum Ziel, „im Notfall“ Hilfestellung geben zu können, d.h. zu intervenieren, wenn klar ersichtlich ist, dass die Lernenden das zu bearbeitende Problem nicht werden lösen können. In solchen Situationen wird die Tutorin/der Tutor gerade so viel – strategische oder inhaltliche – Hilfestellung geben, wie erforderlich ist, damit die Lernenden weiterarbeiten können. Zum anderen sollte er/sie – sofern eine Auswertung des POL-Prozesses vorgesehen ist – schriftlich festhalten, welche Vorgehensweisen es noch einmal zu besprechen gilt, sei es, weil diese auch für zukünftige Problembearbeitungen besonders hilfreich sind oder weil sie eher in die Irre geführt bzw. sich in anderer Form nicht bewährt haben.

Damit ein Tutor/eine Tutorin seine/ihre Aufgaben wahrnehmen kann, benötigt er/sie präzise Fachkenntnisse. Denn wer die Sachlage nicht kennt, kann nicht wissen, wann er oder sie einschreiten sollte, um ein Scheitern der Problembearbeitung zu vermeiden. Bezüglich der Fachkenntnisse geben diverse Hochschulen bzw. Studiengänge den Tutoren/innen Hilfestellungen (Methodenpool der Universität Köln, 8.1.2020):

Der Lernbegleiter sollte über eine schriftliche Anleitung zum Problem-Design verfügen, die - neben speziellen notwendigen Lernressourcen - sowohl Hinweise zu den erwarteten Lernzielen der Lernenden enthält, als auch alle besonderen Aspekte zu ungewöhnlichen Blickwinkeln. Mit diesen Informationen führt der Lernbegleiter die Lernenden durch Fragen und Herausforderungen auf ein metakognitives Niveau, so dass sie ihre Lernziele den Anforderungen des Problems entsprechend formulieren. Eine Intervention bedeutet einen Balanceakt zwischen dem Setzen sinnvoller Impulse oder der Störung konstruktiver Lerndynamik. Vom Lernbegleiter wird hohe Kommunikations-Kompetenz, gekoppelt mit einem hohen Einfühlungsvermögen in die diversen Denkansätze der Lernenden, gefordert. Außerdem sollte er über eine entsprechende Methoden-Kompetenz und Übersicht in dem Fachbereich verfügen, um die nötige Handlungs-Kompetenz zu erreichen.

Es scheint als ob der beste Lernbegleiter jemand ist, der mit dem Fachgebiet des Lernens umfassend vertraut ist und über Erfahrungen in der neuen Rolle der Unterstützung verfügt. Die Qualität des Lernbegleiters ist für den Lernprozess entscheidend (HOLMES & KAUFMANN 1994). „The importance of student-centered learning has to be fully understood by all the faculty involved in problem-based learning, particularly the tutors, to ensure that it is truly student-centered...” (BARROWS 2000, S. 35) Eine gezielte Ausbildung für alle Beteiligten ist daher eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Ermöglichung, denn ungeschulte Lernbegleiter können das Denken der Lernenden auf vielen subtilen Wegen ungünstig lenken. Daher werden in der Regel Fortbildungen oder Workshops angeboten, um die Lehrer ausführlich auf die ungewohnte Rolle beim Problem-Based Learning vorzubereiten.
Die anspruchsvolle Tätigkeit des Lernbegleiters legt regelmäßige Supervisionsgruppen nahe, in denen Schwierigkeiten und Erfahrungen ausgetauscht und besprochen werden.

Damit die Studierenden bei ihrer Arbeit möglichst viel lernen können, können Sie sich als Tutor:in an folgende Qualitätskriterien halten:

  • So viel Unterstützung wie nötig, so wenig wie möglich
    Je nach Rahmenbedingungen werden Sie mehr oder weniger helfen müssen. Wichtig ist jedoch, dass Sie nur dann eingreifen, wenn die Rahmenbedingungen oder die Learning Outcomes es erforderlich machen und nicht, weil es Ihnen als Lehrperson gerade sinnvoll erscheint, denn klassische Lehrperson sind Sie als POL-Tutor:in nicht.
  • Renitente Konstruktivität
    Wenn Sie den Studierenden Feedback geben: kritisieren Sie sie nicht. Beschreiben Sie, was sie getan haben, unterstellen Sie ihnen hierbei beste Absichten und machen Sie ihnen danach einen Verbesserungsvorschlag, wie sie diese unterstellten besten Absichten auch wirklich erreichen können. Machen Sie ihnen nicht nur Verbesserungsvorschläge, sondern formulieren Sie, was gut funktioniert hat, und bestärken Sie die Studierenden damit.
  • Engagement für die Methode POL
    Machen Sie den Studierenden die Methode POL immer wieder schmackhaft. Zeigen Sie ihnen auf, was sie alles dabei lernen (können). Erläutern Sie ihnen mit Beispielen, wie wichtig Problembearbeitungen und -lösungen für ihr späteres Berufsleben sind. Und machen Sie ihnen deutlich, dass Sie selber die Methode schätzen und mit ihr arbeiten (denn als Wissenschaftler/in bearbeiten und lösen Sie dauernd Probleme, das ist eine der wichtigsten Tätigkeiten in Ihrem Berufsleben).
  • Helfen Sie den Studierenden zu erkennen, was sie tun und was dabei herauskommt
    Für Erfolg versprechendes Problemlösen ist wichtig, dass die Studierenden ihr eigenes Vorgehen erkennen, kontrollieren und optimieren lernen. Eine Ihrer zentralen Aufgaben als Tutor:in ist, sie dabei zu unterstützen, indem sie eine Metaperspektive einnehmen und ihnen Rückmeldungen insbesondere zum Arbeitsprozess zu geben. Sie können ihnen nicht nur Feedback geben, sondern sie dazu anregen, sich gegenseitig und selbst bei der Problembearbeitung zu beobachten und sich zeitnah zu korrigieren bzw. ihre Arbeitsweise zu optimieren.