Was ist Problemorientiertes Lernen (POL)?
In der Forschung wird viel und kontrovers darüber diskutiert, was unter POL zu verstehen ist. Als Minimalkonsens kann folgende Definition gelten: Problemorientiertes Lernen zeichnet sich dadurch aus, dass die Lernenden eigenständig und mit Ihrer Unterstützung an konkreten fachlich relevanten Problemstellungen lernen.
Lehr-Lernsettings, die auf POL basieren, nutzen den Ansatz des problemlösenden Denkens nach Dewey (vgl. Problemlösendes Denken): Ausgangslage sind somit realweltliche Situationen, aus welchen sich zu lösende Probleme ableiten lassen. Analog dem Konzept von Dewey werden beim POL durch das identifizierte und konkretisierte Problem Suchprozesse angestossen: Lernende müssen herausfinden, über welches Wissen und welche Fähigkeiten sie zur Lösung des Problems verfügen müssten und sich diese Kompetenzen aneignen. Zudem müssen sie prüfen, ob sie diese auch so auf das Problem anwenden können, dass dieses tatsächlich gelöst wird.
POL gehört neben projektorientiertem, fallorientiertem und forschendem Lernen zu den besonders anspruchsvollen Lernmethoden (Reinmann 2015, S. 228ff.). Es gehört aber mit den anderen drei Lernmethoden auch zu denjenigen Lernformen, mit denen Studierende der Komplexität der globalen Gegenwart und der auf die Menschheit zukommenden Zukunft überhaupt gerecht werden lernen können (Brassler 2018).
Es gibt mehrere unterschiedliche Umsetzungsmuster, welche jedoch alle auf diesen Grundprinzipien beruhen. Entsprechend lassen sich diese Umsetzungsmuster auch weiter variieren und den Voraussetzungen der Lerndenen und der Lernziele anpassen. Wie unterschiedlich POL gestaltet sein kann, können Sie an unseren Beispielen erkennen.
Grundgedanke: Freiwilliges Lernen aus Neugierde
Menschen lernen zumindest als Kinder freiwillig. Getrieben von der Neugierde erkunden Kinder ihre Umwelt, lernen laufen, suchen den Kontakt mit ihren Mitmenschen – und das trotz zahlreicher Widrigkeiten und Rückschläge. Wir können also davon ausgehen, dass es der „menschliche Normalzustand“ ist, etwas lernen zu wollen, was man noch nicht kann, was einem/einer aber einen erkennbaren persönlichen Nutzen bringt und eine Erweiterung der eigenen Handlungsperspektive.
Auch Studierende lernen freiwillig. Sie sind nicht wie in der Schulausbildung verpflichtet, die Schulzeit über sich ergehen zu lassen, sondern haben ihr Studienfach (idealiter) aus Interesse und im Hinblick auf ein späteres Berufsleben in diesem Fachgebiet gewählt. Das bedeutet, dass wir davon ausgehen können, dass sie intrinsisch motiviert lernen, wenn wir sie mit Aufgaben konfrontieren,
- die ihnen einen erkennbaren Nutzen für das spätere Berufsleben bringen,
- die sie noch nicht ohne Aufwand bewältigen können, die aber mit einem überschaubaren Aufwand bewältigbar scheinen,
- die sie in Kontakt mit anderen Menschen bringen, mit denen sie sich austauschen und von denen sie etwas lernen können und
- die sie herausfordern, sich selbst zu übertreffen.
Problemorientiertes Lernen möchte sich diesen Umstand zunutze machen.
Flexible Methode zum Erreichen relevanter Lernziele
Der Kern von Problemorientiertem Lernen ist damit nicht eine spezifische Abfolge von methodischen Arbeitsschritten. Vielmehr ist es eine flexibel gestaltbare Methode, die sich an einer Lehrphilosophie eigenaktiven Lernens ausrichtet. Das Lernen an praxisähnlichen Problemstellungen soll dabei
- bestmöglich auf die spätere berufliche Tätigkeit vorbereiten,
- den Erwerb von Problemlösestrategien unterstützen,
- motivierender sein als das Lernen abstrakter Inhalte,
- effektive Strategien des Selbststudiums zu erwerben helfen und
- mit der Selbstreflexion des eigenen Lernprozesses den Lernenden helfen, sich auf ein lebenslanges Lernen vorzubereiten.
Zentrale Charakteristika des problemorientierten Lernens
Zentrale Charakteristika des problemorientierten Lernens (POL) sind,
- dass es sich um eine Lernform handelt, d.h. die Lernenden lernen und nicht ein Dozent bzw. eine Dozentin lehrt,
- dass die Lernenden selbst identifizieren, was das Problem in der Aufgabenstellung ist und was sie lernen müssen, um das Problem zu lösen oder besser zu verstehen,
- dass die Lernenden sich die erforderlichen Informationen eigenständig suchen,
- dass die Aufgabenstellung den Lernenden als eine thematische Orientierung dienen soll, sie aber nicht gezwungen sind, vorgegebene Ziele vollständig zu erreichen,
- dass eine Tutorin bzw. ein Tutor in den Arbeitsprozess der Lernenden so wenig wie möglich und nur so viel wie wirklich nötig eingreift und
- dass die Ergebnisse von den Lernenden im Anschluss noch einmal ausgetauscht werden, so dass sie voneinander lernen und ihren Arbeits- und Lernprozess reflektieren können.