Variationsmöglichkeiten der Problemaufgaben
Wie in Bezug auf die Ziele und Methoden von POL können Sie also auch in Bezug auf die Aufgabenstellung diverse Entscheidungen treffen, je nachdem, was Sie erreichen möchten:
Fördern oder Fordern
Möchten Sie die Lernenden darin bestärken, dass sie schon Diverses wissen und können? Dann werden Sie ihnen eine Kombinationsaufgabe geben, die sie relativ problemlos bewältigen können. Möchten Sie die Lernenden darauf aufmerksam machen, dass sie dem kommenden Berufsalltag noch bei weitem nicht gewachsen sind und sich mit den in der Aufgabenstellung beinhalteten Themen noch intensiv auseinandersetzen müssen? Dann werden Sie ihnen eine komplexe Problemaufgabe an die Hand geben (und sie dann ggf. im Prozess unterstützen, denn auch wenn Lernende mit einer komplexen Problemaufgabe stark gefordert sein sollen, sollen sie doch möglichst nicht komplett scheitern, das ist frustrierend wie demotivierend und nimmt ggf. die Freude am Lernen mit POL).
Exemplarisches oder Extravagantes
Gerade zu Beginn des Studiums lohnt es sich, den Lernenden besonders typische fachspezifische Probleme als Aufgabenstellung für POL zu geben, da sie von diesen ausgehend exemplarisch lernen, d.h. das Gelernte auf viele andere Situationen und Phänomene übertragen können (Wagenschein 1956). Am Ende des Studiums werden derartige exemplarische Probleme für die Lernenden «doch kein Problem» mehr sein. So sollte das auch sein, typische Anwendungssituationen sollten sie jetzt kennen und bewältigen können. Stattdessen werden Lehrpersonen ihnen jetzt besonders aussergewöhnliche Probleme als Aufgabenstellung geben, ggf. sogar solche, die die erworbene Routine für «Standardsituationen» in Frage stellt, weil man in diesem Ausnahmefall anders handeln muss.
Lernen aus dem Kanon oder aus der Praxis
Sie können bereits erstellte didaktisch konzipierte Aufgabenstellungen aus Ihrem Fach verwenden. Diese haben meist relativ klare Learning Outcomes und sind gut in den Studiengang integriert, d.h. es ist relativ klar, in welchem Semester man welche Aufgabenstellung einsetzen kann, da die entsprechenden flankierenden Veranstaltungen festgelegt sind. Der Nachteil ist, dass ggf. schon die Lernenden im letzten Semester mit dieser Aufgabenstellung gearbeitet und den Bearbeitungsweg wie die Lösungen irgendwo in den sozialen Netzwerken abgelegt haben (was sicher nett gemeint ist, aber die eigenständige Arbeit korrumpiert). Und es besteht das Risiko, dass diese Aufgabenstellungen von Experten/innen erstellt wurden, die zwar über ein enormes Fachwissen verfügen und so hoch spannende Aufgabenstellungen verfassen, aber vielleicht gerade die seltensten Problemstellungen herausgreifen und diese ggf. in einem Fachjargon beschreiben, der den Lernenden im späteren Berufsalltag nie begegnen wird. Sie können alternativ auch Probleme aus der Praxis als Basis für die Aufgabenstellung nehmen. Das ist aufwändig, denn diese müssen Sie selber erstellen, je nach Kompetenzstand der Lernenden ggf. vereinfachen und am besten auch vorab durch fortgeschrittene Lernende oder junge Assistierende testen lassen. Aber der grosse Vorteil ist, dass Sie sie besser auf die Vorkenntnisse, Kompetenzen und Interessen Ihrer Lernendengruppe anpassen können. Näheres zur Erstellung der Problemaufgabe s.u.
Umfang der Aufgabenstellung
Möchten Sie es den Lernenden leicht machen, das Problem in der Aufgabenstellung zu erkennen und sich auf die wesentlichen Aspekte der Problembearbeitung zu konzentrieren? Dann werden Sie nur die allerwichtigsten Informationen in die Beschreibung aufnehmen und alle «Störfaktoren» oder «Anlässe für Irrwege» streichen. Oder möchten Sie die Lernenden mit der Komplexität des «echten Lebens» konfrontieren und sie ggf. sogar auf den einen oder anderen populären Irrweg leiten, den Sie ihnen in der späteren beruflichen Praxis ersparen möchten? Dann werden Sie derartige Zusatzinformationen einbauen und den Lernenden die Arbeit damit schwerer, aber realitätsnäher machen.
Menge relevanter Detailinformationen
Nur die allerwichtigsten Informationen einzubauen kann die Arbeit für die Lernenden aber auch anspruchsvoller machen, eine seitens der Lehrperson beabsichtigte Problemstellung zu finden: je weniger Anhaltspunkte für die Definition der Problemstellung im Text der Aufgabenstellung gegeben sind, desto breiter müssen die Lernenden denken und desto mehr nicht relevante Vermutungen müssen sie ausschliessen, um auf das in der Aufgabenstellung beinhaltete Problem zu definieren.
Wenn die Lernenden also relativ konkrete und/oder viele vorgegebene Learning Outcomes erreichen sollen, werden Sie ihnen viele problemrelevante Detailinformationen zur Situation an die Hand geben (aktuelle schlechte Blutwerte der Patientin, vorgegebene Impactfaktoren für die Publikation, Kostendächer fürs zu planende Projekt, …). Wenn Sie ihnen viel Wahlfreiheit hinsichtlich der Learning Outcomes geben möchten, werden Sie in der Aufgabenstellung nur auf wenige Details eingehen.