Learning and Development

Kompetenz- und Handlungsorientierung: Was "Learning Outcomes" definiert

Learning Outcomes oder auch “Lernergebnisse» sind die Handlungen, die Lernende am Ende eines Lernprozesses ausführen können sollen. Die Learning Outcomes, die die Lernenden mit dem POL erreichen sollen, tragen zum Aufbau ihrer (Abgangs-)Kompetenzen bei, d.h. den Handlungskompetenzen, was sie am Ende eines Moduls oder eines Studiengangs können sollten.

Euler und Hahn (2007, S. 78) definieren den Begriff «Handlungskompetenzen» im Kontext einer problemorientierten Didaktik folgendermassen:

Handlungskompetenzen bezeichnen das Potenzial, die Möglichkeit zu handeln. Handeln ist dabei mehr als Wissen, zugleich aber auch mehr als ausführendes Tun. Es verbindet Reflexion und Aktion, oder konkreter: Kennen, Können und Wollen bzw. Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen. Das Handeln kann unterschiedliche Schwerpunkte besitzen, etwa den Umgang mit Sachen oder den Umgang mit anderen Menschen.

Mit der Formulierung «einem Potenzial, einer Möglichkeit zu handeln» positionieren sie sich in einer wissenschaftlichen Debatte über Kompetenzen auf der Seite derjenigen, die eine Kompetenz als etwas verstehen, das mehr sein kann und muss als das, was eine Person in einer bestimmten Situation tut. Die Begründung ist, dass sich Kompetenzen auf ganze Situationstypen beziehen und in unterschiedlichen Varianten von Situationen eingesetzt werden müssen:

Handlungskompetenzen als Möglichkeiten des Handelns beziehen sich jeweils auf einen Typus von Situation (zum Beispiel die Kundenberatung), innerhalb dessen eine Vielzahl variierender Bedingungen zu je spezifischen Ausprägungen des jeweiligen Typs führen können (beispielsweise aggressive oder freundliche Kunden; anspruchsvolle oder einfache Sachlage).

Damit Lernende das was sie gelernt haben auf Situationen übertragen können, die nicht identisch sind mit denen, die sie beim Lernen bearbeitet haben, benötigen sie natürlich Wissen. Aber nicht isoliertes, «träges» Wissen, sondern in Situationen und Handlungen eingebettetes und in Bezug auf diese Situationen und Handlungen reflektiertes Wissen. Es gibt drei Voraussetzungen dafür, dass Lernende Wissen nach dem Lernprozess sinnvoll anwenden können: 1) das Wissen muss im Kontext der Anwendungsmöglichkeiten erlernt werden (d.h. «situiert» sein), 2) es muss von den Lernenden so gründlich bedacht worden sein, dass sie sich ihres Wissens bewusst sind und 3) es muss von den Lernenden sinnvoll strukturiert worden sein, d.h. begründbar und in einen theoretischen Kontext einzuordnen sein (Renkl 1994).

Der Gedanke, Lernende dabei zu unterstützen Handlungskompetenzen aufzubauen, stösst bei etlichen Hochschuldozierenden auf Ablehnung mit der Begründung, dass 1) eine Hochschulausbildung keine Berufslehre sei und 2) sich Hochschule nicht darauf reduzieren sollte, Menschen auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten (Unbedingte Universitäten 2013).

Das erste Argument trifft zu: an Hochschulen werden Lernende für die Ausübung von Professionen vorbereitet. Als Professionen können wir „diejenigen akademischen, also hochqualifizierten Berufsgruppen“ ansehen, „die lebenspraktische Probleme von Klienten im Kontext einzelner Funktionssysteme, wie dem System der Krankenbehandlung, dem Rechts-, dem Religions- und dem Erziehungssystem in Interaktionssituationen mit Klienten stellvertretend deuten, verwalten und bearbeiten“ (Kurtz 2000, zit. nach Kurtz 2009, S. 46).

Professionelle

  • arbeiten in irgendeiner Form mit oder für Menschen, und zwar
  • mit Verantwortung für Menschen,
  • angesichts von komplexen Problemlagen und
  • in unwägbaren Situationen.

Daher können Professionelle keine „Standardvorgehensweisen“ verwenden, sondern sich immer wieder neu auf eine Situation, eine Problemlage und ein Gegenüber einstellen müssen. Also müssen Lernende sehr situationsflexibel und reflektiert lernen.

Das zweite Argument ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen: Hochschulen sollen nicht einfach auf den Arbeitsmarkt und auf die Arbeit in der Gesellschaft vorbereiten, sondern auch darauf, die Funktionsweise dieser Gesellschaft und diesen Arbeitsmarkt kritisch zu reflektieren oder sogar zu erforschen. Das heisst aber nicht, dass Lernende keine Handlungskompetenzen erlernen müssen. Bei Studiengängen mit einem relativ klaren Berufsbild (z.B. Medizin oder Rechtswissenschaften) ist das auf den ersten Blick ersichtlich: auch wenn nicht alle MedizinLernenden Ärztin oder Arzt werden und nicht alle JuraLernenden Anwalt oder Richterin, erwarten wir von Studienabgängern/innen bestimmte Kompetenzen. Bei Studiengängen mit einem sehr breiten Berufsbild (z.B. Germanistik oder Geschichtswissenschaften) werden Handlungskompetenzen aufgebaut, z.B. die reflektierte und präzise Analyse von Sprache, der kritische Umgang mit Quellen, die strukturierte Durchführung von Untersuchungen oder die Formulierung von Forschungsfragen. Mit diesen Kompetenzen können Studienabgänger/innen in vielen Bereichen arbeiten, von Tätigkeiten in der Verwaltung über Journalismus bis hin zur Werbebranche. Diese Kompetenzen sind ggf. auf den ersten Blick nicht als Handlungskompetenzen erkennbar, weil das «Können» in diesem Fall eine kognitive und keine psychomotorische Handlung ist: wer eine Klientin berät, «tut» körperlich nichts, sondern hört, spricht und denkt nur.  Aber auch das sind (im Idealfall nach dem Studium professionelle) Handlungen.

Das Erfolg versprechende Ausüben von Professionen erfordert auf der einen Seite viel und aktuelles Wissen (d.h. sowohl einen grossen Wissensfundus als auch die Fähigkeit und Bereitschaft zum lebenslangen Lernen), auf der anderen Seite viel Erfahrung (je mehr Problemlagen eine Person bereits kennengelernt und bewältigt hat, desto leichter wird die Bewältigung einer gänzlich unbekannten Situation fallen, s. Peirce’s Konzept der „Abduktion“).

Es geht somit in der Wissenschaft immer um den Umgang mit Wissen, nicht um seine Anhäufung. Wissenschaftliche Studiengänge sollten daher nicht allein am Stoff orientiert sein, sondern auf der Grundlage von Wissensbeständen zu komplexen (…) Handlungen befähigen.

Problemorientiertes Lernen eignet sich deswegen gut für den Aufbau von Handlungskompetenzen, weil es «verlangsamtes und strukturiertes Probehandeln» darstellt: die Lernenden analysieren eine (Problem)Situation, wenden ihr Vorwissen auf diese Situation an und begründen sich dann, warum sie sich welches Wissen beschaffen sollten, um die Situation zu bewältigen. So gehen sie mit Wissen genau so um, dass die drei oben genannten Kriterien für die Anwendbarkeit gegeben sind. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diejenigen Dozierenden, die die Problemaufgaben erstellen oder das POL begleiten genau wissen, welche Kompetenzen im Modul oder Studiengang primär aufgebaut werden sollen. Nur dann können sie die Problemaufgabe entsprechend gestalten und die Lernenden sinnvoll bei der Bearbeitung begleiten.