Klassische POL-Szenarien
Methoden von POL erweitern das Grundmodell von Dewey um bestimmte Vorgaben oder Hilfestellungen oder vereinfachen es. Ursache dafür sind unterschiedlich problemlösekompetente Lernende, unterschiedliche Learning Outcomes, unterschiedlicher zeitlicher Umfang und unterschiedliche Kombinationen mit anderen Lehr- und Lernformen.
Enquiry-Based-Learning (University of Southampton, UK)
Enquiry-based-Learning (EBL) ist ein zentrales Element der Pflegeausbildung an der Universität Southampton in England (Fischer 2004, S. 34ff.).
Vorgehensweise
Die Lernenden erhalten eine Aufgabenstellung und nehmen sich erst einmal Zeit, die Aufgabenstellung in ihrem (praktischen) Kontext zu verstehen (s. Abbildung "Ablauf des Enquiry-Based-Learning"). Im Anschluss formulieren sie Lernthemen und in deren Kontext Detailfragen zur Aufgabenstellung. Diese Detailfragen müssen sie begründen. Der Tutor/die Tutorin beantwortet im Anschluss die Fragen auf der Basis eines Tutorenhandbuchs, in dem alle Details beschrieben sind. Im nächsten Schritt werden auf der Basis der erhaltenen Informationen zur Aufgabenstellung Lernfragen formuliert und geordnet. Und dann folgt eine vier-bis sechswöchige Phase, in der den Lernenden diverse Lehr-/Lernszenarien auf freiwilliger Basis angeboten werden, von Praxiseinsätzen über Vorlesungen und Workshops, Vorträgen von Praktikern/innen und Erfahrungsberichten von Patienten/innen bis hin zu angeleitetem und freiem Selbststudium. In der Abschlusssitzung werden die gewonnenen Informationen ausgetauscht.
Ziele
Ziel des EBL ist insbesondere, das lebenslange Lernen einzuüben. Darüber hinaus sollen erkundendes, nachfragendes Lernen, Problemlösefähigkeiten, Führungskompetenz, Selbstständigkeit, Kooperationsfähigkeit im Team, klinisches und kritisch-logisches Denken sowie Fähigkeit zur reflexiven Praxis aufgebaut werden (ebd.).
Zielgruppe und entsprechende unterstützende Massnahmen
Lernende in England sind vergleichsweise jung, die meisten kommen mit 18-19 Jahren an die Universitäten. Die akademischen Fähigkeiten von PflegeLernenden werden z.T. als geringer eingeschätzt als die von MedizinLernenden (ebd.). Dementsprechend ist die Rolle des Tutors/der Tutorin relativ aktiv (Fischer 2004, S. 36f.):
Bereits im ersten Schritt geben sie den Lernenden beim Verständnis des jeweiligen Kontextes Hilfestellung und stellen so sicher, dass die Gruppe gute Ausgangsbedingungen für eine konstruktive weitere Fallbearbeitung hat. Der Tutor stellt weiterhin auf begründete Nachfrage der Lernenden Hintergrundinformationen zur Verfügung, die in seinem Tutorenleitfaden enthalten sind. In den nächsten Arbeitsphasen unterstützt der Tutor die Gruppe im Auffinden der im Fall enthaltenen Aufgabenstellungen und hilft beim Fokussieren der entsprechenden Lernbedürfnisse. Bei allen Interventionen des Tutors wird auf eine ermutigende Lernatmosphäre und ein partnerschaftliches Verhältnis Wert gelegt. Während der Bearbeitungszeit der Fragen finden wöchentliche Treffen der Arbeitsgruppe mit dem Tutor statt. Auch hier ist es die Aufgabe des Tutors, den Arbeits- und Gruppenprozess zu leiten und bei Problemen vorsichtlich einzugreifen.
Darüber hinaus werden die Lernenden bei der Informationssuche massiv unterstützt: Sie erhalten nicht nur Literaturangaben, sondern sozusagen «massgeschneidert» diverse Lehr-/Lernszenarien, in denen sie sich gezielt relevante und suffiziente Informationen beschaffen können. Entsprechend der aktiven Rolle des Tutors/der Tutorin und der Unterstützung bei der Informationssuche muss die formale Gestaltung des Ablaufs von EBL nicht ganz so ausdifferenziert sein wie bei anderen Modellen: z.B. sind Problembestimmung, Problemanalyse und Ordnung von (auf Vorwissen basierenden) Erklärungen nicht so klar getrennt.
Abweichung von Deweys Modell
Im Enquiry-based-Learning ist die Hypothesenbildung kein eigenständiger Schritt. Das ist nachvollziehbar, da die Lernenden noch nicht sehr viele Vorkenntnisse und Erfahrungen mitbringen. Insofern folgt auf die Problemanalyse gleich ein Brainstorming für Lernfragen (in dem sicher auch erste Hypothesen aufgestellt werden, wie das Problem zu lösen sein könnte).
Darüber hinaus ist eine ausführliche Informationsphase vorgesehen. Die Überprüfung von Hypothesen wird also um eine Recherche nach suffizienten Informationen ergänzt, damit die Lernenden zusätzliche Hypothesen entwickeln können. Dies zeichnet alle POL-Vorgehensweisen gegenüber dem Problemlösemodell von Dewey aus, da POL nicht nur eine Problemlösungsstrategie, sondern darüber hinaus eine Lernstrategie ist.
Im Rahmen der Synthese steht das Zusammentragen neuer Informationen im Vordergrund, auch wenn hier sicher über Lösungsmöglichkeiten des Problems diskutiert wird. Beim Enquiry-based-Learning ist also der Wissenserwerb und das systematische Verständnis des Problems wichtiger als eine konkrete Problemlösung. Das zeigt sich auch daran, dass beim Formulieren von Lernfragen (inklusive Hypothesen) nicht gleich ein Lösungsplan erstellt wird.
POL in acht Schritten in der humanmedizinischen Ausbildung an der Humboldt Universität Berlin
Problemorientiertes Lernen in acht Schritten ist ein zentrales Element im Studiengang Humanmedizin an der Humboldt Universität Berlin.
Vorgehensweise
Die Lernenden lesen in einem ersten Schritt die Aufgabenstellung und klären untereinander Begriffe, die ihnen nicht klar sind (s. Abbildung "POL in acht Schritten in der humanmedizinischen Ausbildung an der Humboldt Universität Berlin"). Im zweiten Schritt einigen sie sich darauf, welche Probleme in der Aufgabenstellung enthalten sind. Danach sammeln sie in einem dritten Schritt ihr Vorwissen zu den definierten Problemen. Im vierten Schritt ordnen sie das Vorwissen zu Themengebieten bzw. Hypothesen, was die Ursache oder der Kontext der Probleme sein könnte. Im fünften Schritt diskutieren sie, was sie zu den Themengebieten bzw. Hypothesen noch nicht wissen, und formulieren daraus Lernfragen. „Im Laufe der Diskussion können die Lernenden von der POL-Dozentin weitere Informationen oder begleitende Materialien zur Patientengeschichte anfordern und die Schritte 1-5 erneut durchlaufen oder Änderungen und Ergänzungen in der Vorgehensweise vornehmen“ (Huenges 2003, S. 41). Für diesen ersten Abschnitt des POL stehen ihnen 2 Stunden zur Verfügung. Der sechste Schritt besteht in freiem Selbststudium zu den formulierten Lernfragen. Mit einigen Tagen Abstand, in denen auf die Themen der Aufgabenstellung bezogene Lehrveranstaltungen stattfinden und Experten/innen für Fachfragen zur Verfügung stehen, treffen sich die Lernenden dann noch einmal für zwei Stunden wieder, um in einem siebten Schritt die Ergebnisse ihrer Informationssuche zusammenzutragen und zu diskutieren und abschliessend in einem achten Schritt den Lernprozess und die Zusammenarbeit unter den Lernenden zu reflektieren. Dieser Schritt ist wichtig, um im Verlauf der POL-Sitzungen, die sich durch die ersten beiden von drei Studienabschnitten ziehen, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess der inhaltlichen Arbeit wie der Zusammenarbeit zu ermöglichen.
Ziele
Für die Aufgabenstellungen bei POL gibt es im Medizinstudium an der Charité themenbezogene Learning Outcomes, die sich aus den Ausbildungszielen ableiten. Diese sind aber bewusst relativ offen gestaltet und können von den Lernenden um eigene Ziele ergänzt werden. Der Vergleich von Huenges (2003) zwischen den Learning Outcomes für POL, den Ausbildungszielen und den Aufgabenstellungen für das POL zeigt auch, dass die Lernenden inhaltlich teilweise sehr unterschiedliche Learning Outcomes erreichen, eine grosse Übereinstimmung gibt es nicht. Die zentrale Zielsetzung des Einsatzes von POL findet sich im Leitbild des Studienganges (Webseite der Charité Berlin, abgerufen am 8.01.2020):
Durch engagierte, hochwertige Lehre und gute Betreuung sollen Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden, die:
- sich dem lebenslangen Lernen und der Weitergabe ihres Wissens verpflichtet fühlen,
- über Kommunikations-, Interaktions- und Teamfähigkeit verfügen,
- Entscheidungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein zeigen und
- sich aktiv für öffentliche und individuelle Gesundheitsförderung sowie für Prävention einsetzen,
um den dynamischen Herausforderungen in Medizin, Wissenschaft und Gesellschaft gewachsen zu sein und als führende Experten des Gesundheitswesens akzeptiert zu werden. (…) Die Ausbildung soll befähigen, Hypothesen, Konzepte und Methoden in ihrer Bedeutung für die Medizin auf wissenschaftlicher Grundlage zu verstehen und kritisch zu diskutieren.
Es gibt weitere Ausbildungsziele im Studiengang, die sich z.B. auf Verständnis wissenschaftlicher Methodik oder psychosoziale Kompetenzen in Diagnose und Therapie beziehen. Hierfür gibt es eigenständige Blockveranstaltungen bzw. Abschnitte, während denen dann teilweise auch kein POL stattfindet.
Zielgruppe und entsprechende Massnahmen
Die Lernenden im Modellstudiengang nehmen freiwillig an ihm teil, d.h. sie haben sich bewusst gerade für die Art des Studierens in einem Studiengang unter anderem mit vielen POL-Sitzungen entschieden. Der Modellstudiengang geht also davon aus, dass sie motiviert sind und sich aktiv um das POL bemühen. Die zentrale Aufgabe des Tutors/der Tutorin ist, den Gruppenprozess zu unterstützen, Hilfestellungen beim Lernprozess zu geben und auf Unstimmigkeiten hinzuweisen. Die Lernenden können zwar inhaltliche Unterstützung seitens des Tutors/der Tutorin erhalten, allerdings nur auf gezielte Nachfrage (Patientengeschichte, ergänzende Befunde, Diagnostik, Literaturempfehlungen). Auch die Anbindung der sonstigen Veranstaltungen ist lockerer als beim EBL: die Dozierenden der Veranstaltungen, die während der Selbststudienzeit stattfinden, sind angehalten, sich thematisch auf die Aufgabenstellung zu beziehen, allerdings keineswegs, sich hierauf zu beschränken.
Abweichung von Deweys Modell
Vor dem Formulieren von Hypothesen ist mit dem Brainstorming ein Aktualisieren und Sammeln von Vorwissen als eigener Schritt vorgesehen. Das ist logisch, da sich das 8-Schritte-Modell an Lernende wendet, die bereits Vorwissen mitbringen, aber noch nicht genug, um wie Experten/innen gleich zur Hypothesenbildung überzugehen. Der Schritt Brainstorming soll darüber hinaus eine effizientere Informationssuche ermöglichen: wenn bereits vorhandene Informationen vor dem Formulieren von Lernfragen zusammengestellt werden, kann sich die Informationssuche auf die wirklich fehlenden Informationen beschränken.
Eine Informationssuche ist wie beim Enquiry-based-Learning auch beim 8-Schritte-Modell vorgesehen. Die Lernenden erhalten auch hier Informationsangebote (z.B. Vorlesungen). Allerdings sollen sie auch eigenständig in der Literatur recherchieren. Ebenfalls ist am Ende eine Synthese neuer Informationen vorgesehen und nicht explizit eine Problemlösung.
Zusätzlich wurde der Schritt «Feedback und Evaluation» hinzugefügt. Dieser Schritt ermöglicht eine Bewertung der Performance als Team und auch eine Selbsteinschätzung des eigenen Lernerfolgs, der laut Hattie den wichtigsten Wirkfaktor für Lernen darstellt (Hattie 2013).
Der Schritt «Begriffsklärung» ganz zu Beginn, der bei diversen POL-Modellen vorgesehen ist, dient einer Eliminierung der Effekte des «Uni-Bluffs» (Wagner 2002): Wenn Lernende den Eindruck haben, alle anderen würden alle Fachbegriffe in einer Problembeschreibung verstehen, werden sie sich wahrscheinlich nicht trauen, ohne explizite Aufforderung nach der Bedeutung unbekannter Fachbegriffe zu fragen, da sie sich nicht blamieren möchten.
Siebensprung bzw. «7 steps» (Universität Maastricht) (pbl)
Der Siebensprung wurde in Maastricht entwickelt und ist heute eines der verbreitetsten Ablaufmodelle für problem based learning als einer verwandten Form des POL, weswegen es hier zur Sprache kommen soll. Befürworter/innen des Modells argumentieren mit der „Vollständigkeit des Verfahrens, insbesondere der sorgfältigen Verankerung des neuen objektiven Wissens mit dem subjektiven Wissen“ (Weber 2007, S. 31).
Vorgehensweise
Der „Siebensprung“ läuft vergleichbar ab wie die Schritte 1-7 des Achtschrittemodells der Charité in Berlin, ist aber vom Vorgehen her detailliert ausgearbeitet. Agnes Weber schlägt für die einzelnen Schritte (s. Abbildung "Siebensprung bzw. «7 steps»") sogar Minutenzeiten und Fragestellungen vor (Weber 2007, S. 34).
Ziele
Der Siebensprung wird viel in der humanwissenschaftlichen Ausbildung einsetzt. Hier soll er darauf vorbereiten, in der späteren klinischen Praxis Problemstellungen strukturiert bearbeiten zu können.
Zielgruppe und entsprechende unterstützende Massnahmen
Die detaillierte Liste zur Vorgehensweise macht deutlich, dass das Modell des Siebensprungs methodisch stark strukturiert ist: die Lernenden sollen sich präzise an das Modell halten und damit eine klar definierte Routine im Problemlösen erwerben. Abweichungen von der Vorgehensweise oder Wiederholungen innerhalb des Ganges durch die einzelnen Schritte sind nicht vorgesehen. Darüber hinaus sind die Aufgabenstellungen, mit denen gearbeitet wird, oft konsequent ausgehend von operationalisierten Learning Outcomes konstruiert. Die Lernenden haben also mit den Aufgabestellungen klare Vorgaben, welche Inhalte sie zu erarbeiten haben.
Das Modell „Siebensprung“ ist methodisch zwar sehr direktiv, aber stark auf autonome Arbeit der Lernenden ausgerichtet: es gibt zwar einen Tutor/eine Tutorin, doch diese/r hält sich weitmöglichst zurück und ist „nur“ dafür zuständig, die Lernenden in ihrer Arbeit zu unterstützen, wenn das nötig ist.
Abweichungen von Deweys Modell
Die Abweichungen entsprechen dem 8-Schritte-Modell, nur dass ein achter Schritt für Evaluation und Feedback nicht explizit vorgesehen ist. Darüber hinaus sind die einzelnen Schritte im Bezug auf das Arbeitsprocedere detailliert ausgearbeitet. Bei den «7 steps» steht also der Erwerb einer detaillierten «Problemlöseroutine» gegenüber der Arbeitsprozessreflexion.
Dreischritt des Problemlösens, «triple jump» (Mc Masters Universität)
Es gibt mehrere dreistufige Modelle für Problemlösendes Arbeiten und Lernen.
Vorgehensweise
Alle gehen von der gleichen Grundstruktur aus, welche dem Modell "Dreischritt des Problemlösens" bzw. "triple jump" von Hadgraft und Prpic (1999) inheränt ist:
- Das Problem verstehen: Problem mithilfe vorhandener Informationen erkennen, analysieren und verstehen
- Lernen: Fehlende Informationen definieren und beschaffen
- Problemlösen: Auf der Basis einer Synthese aller nun verfügbaren Informationen eine Problemlösung entwickeln. Im Rahmen der dritten Phase bzw. im Anschluss an die dritte Phase ist teilweise noch ein Reflexionsprozess des Problemlöseprozesses vorgesehen.
7-Schritte-Dialog (Dialog Ethik Zürich)
Der „7 Schritte Dialog“ ist ein Problembearbeitungsmodell, das ausgearbeitet wurde, um bei ethischen Dilemmata zu einer möglichst tragfähigen, reflektierten und verantwortungsvollen Entscheidung zu kommen.
Vorgehensweise
Wenn in einem Team in einem Krankenhaus oder einem Heim ein ethisches Dilemma auftritt, d.h. die Teammitglieder sich nicht im Klaren sind, wie sie mit einem Patienten oder einer Klientin umgehen sollen, finden sich alle Teammitglieder zusammen, die den Patienten bzw. die Klientin behandeln oder betreuen. Diese interdisziplinäre Gruppe sammelt in einem ersten Schritt medizinische Fakten zur aktuellen Situation, aber auch Erfahrungen mit dem Patienten bzw. der Klientin und eigene Lebenserfahrungen mit ähnlichen Situationen (s. Abbildung "Der 7-Schritte-Dialog"). Auf dieser Basis wird formuliert, was das Dilemma ist, vor dem das Team steht, d.h. welche Handlungsalternativen bestehen, welchen Zielen sie dienen und was jeweils dagegenspricht, sie umzusetzen. In einem zweiten Schritt werden Kontextinformationen zum Problem gesammelt und die Formulierung des Dilemmas noch einmal überprüft. Dann werden in einem dritten Schritt die Werte gesammelt, die hinter den Handlungsalternativen stehen. Im Anschluss werden in einem Brainstorming weitere Handlungsalternativen gesucht und diese dann nach vorgegebenen Kriterien in einem fünften Schritt analysiert und in einem sechsten mit mehreren Kriterien nacheinander gewichtet. Auf diese Weise kristallisiert sich die von den Beteiligten favorisierte Handlungsoption heraus. Wenn sich das Team im sechsten Schritt auf eine Handlungsoption geeinigt hat, wird in einem siebten Schritt ein Massnahmenplan für die Umsetzung der Entscheidung erstellt.
Ziele
Ziel des Modells ist primär eine Problemlösung in einer konkreten anspruchsvollen Situation. Darüber hinaus soll aber auch reflexive Praxis und strukturiertes Herangehen an medizinethische Probleme geschult werden – und zwar nicht primär auf individueller Ebene, sondern auf Team- oder sogar Organisationsebene.
Zielgruppe und entsprechende unterstützende Massnahmen
Die Teilnehmenden sind Praktiker/innen aus verschiedenen Disziplinen, je nach Team von Medizin über Pflege und Physiotherapie bis hin zu sozialer Arbeit und Theologie. Sie haben praktische Erfahrung mit medizinethischen Problemen, in der Regel aber keine formale Ausbildung in diesem Themengebiet. Bei den anstehenden Entscheidungen handelt es sich oftmals für Patienten bzw. Klientinnen gravierende Entscheide, teilweise über Leben oder Tod. Dementsprechend gibt das Modell den Teilnehmenden viele Fragestellungen in einer bestimmten Reihenfolge vor, um sicherzustellen, dass die wichtigsten medizinethischen Abwägungen berücksichtigt werden, auch wenn die Teilnehmenden die entsprechende Ausbildung nicht haben. Die Moderatorin bzw. der Moderator ist geschult, die Teilnehmenden anhand des Modells durch den Problembearbeitungsprozess zu führen. So lange sich die Teilnehmenden am Modell orientieren, können sie davon ausgehen, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen vorgehen und entscheiden.
Abweichungen von Deweys Modell
Der «7 Schritte Dialog» ist ein Beispiel für eine Anreicherung des Problemlösemodells mit fachspezifischen Fragen (in diesem Fall aus der Medizinethik), die eine fachlich fundierte Problemlösung auch für Nichtexperten/innen im Bereich Medizinethik ermöglichen soll.
Weitere Beispiele
Es gibt diverse andere Varianten als die vorgestellten Beispiele:
- verhältnismässig wenig differenzierte Modelle mit vier Schritten («betrachte das Problem», «definiere was wir wissen müssen», «lerne, was wir wissen müssen», «wende das Gelernte auf die Problemstellung an» (http://personal.cege.umn.edu/~smith/supplements/instfrmt/instfrmt1.html, 23.10. 2019)).
- Modelle mit fünf Schritten mit dem Ziel der Abstraktion des erworbenen Wissens («identifiziere die Fakten in der Problemstellung», «erstelle Hypothesen», «definiere Wissenslücken», «wende neues Wissen auf die Problemstellung an», «abstrahiere von der konkreten Problemstellung» (https://www.researchgate.net/figure/The-process-of-Problem-based-Learning_fig7_234827721)), der Auswahl einer besten Lösung aus mehreren zu findenden Lösungen («Was ist das Problem?», «Was wissen wir dazu und was müssen wir dazu wissen?», «Mögliche Lösungen», «Beste Lösung», «Bericht über Lösung», https://slideplayer.com/slide/7566188/, s. auch http://etec.ctlt.ubc.ca/510wiki/PBL_and_Math_Education) oder der reflektierten Modellerstellung («definiere das Problem», «plane Lösungen», «erstelle ein Modell», «teste das Modell», «reflektiere und überarbeite das Modell» (http://www.kauyan.edu.hk/kys/primary/school/)).
- Andere Modelle mit sechs Schritten als das Enquiry-based-Learning, z.B. mit dem Ziel einer praktischen Anwendung und deren Evaluation («Problemdefinition», «Definition von Learning Outcomes», «Informationssuche», «Lernen», «Anwendung», «Evaluation», (https://www.youtube.com/watch?v=ioFmKcxGFBk ) oder https://www.slideshare.net/zainals/pbl-fkaas-04092012))
- Andere Modelle mit sieben Schritten als die «7 steps», z.B. mit einem Schritt «group setting» als erstem Schritt (dafür sind Begriffsklörung und Problemdefinition zusammengefasst) und neben dem Schritt «Synthese und Anwendung» den Schritt «Reflexion und Feedback», dafür sind Ideengeneration und Ideenordnung zu einem Schritt zusammengefasst (https://www.tp.edu.sg/centres/learning-academy/pbl)
- Flexible Modelle, z.B. mit neun bis elf Schritten, je nachdem ob die Problemlösung erfolgreich war oder nicht («identifiziere das Problem», «generiere Ideen», «ordne die Ideen», «definiere Lernziele», «organisiere die Informationsbeschaffung», «beschaffe Informationen», «setze Dich mit der neuen Information auseinander und entwickle Ideen», «teste die Ideen» und dann bei Erfolg «formuliere Schlussfolgerungen und bewerte den Lernprozess» oder bei Misserfolg «verwirf die Ideen» und «finde neue Ideen» (https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/19112/2/Hess.pdf)).
- …
Variationen ergeben sich aus unterschiedlichen fachspezifischen Zielsetzungen, fachspezifischen Anreicherungen der Schritte oder Schwerpunktsetzungen für den Lernprozess der Lernenden. In der Mathematik werden Probleme anders angegangen und gelöst als in der Medizin oder in den Geschichtswissenschaften, und selbst innerhalb der Disziplinen gibt es je nach Zielsetzungen und Schwerpunktsetzungen diverse Modelle bzw. Strategien. Allein im Bereich Maschinenbau gibt es fünf- bis fünfzehnschrittige Modelle (Mustapha et al. 2014, S. 694f.). Die ganze Vielfalt der Modelle bzw. Strategien für POL vorzustellen würde dies Kapitel sprengen und Ihnen als Anwender/in auch keinen wirklichen Überblick über Ihre Möglichkeiten des Einsatzes von POL-Strategien geben.